Green Asset Ratio – die grüne Kennzahl für Finanzunternehmen

15.04.2024

Das Nachhaltigkeitsrecht weist aktuell eine Dynamik auf wie kaum ein anderes Rechtsgebiet. Eine Neuerung in diesem Bereich, die mit Beginn des Jahres 2024 in Kraft getreten ist, wird mit besonderer Spannung erwartet: die Offenlegungspflicht der Green Asset Ratio (GAR).

 


Betroffen sind Finanzunternehmen, die nach der Bilanz-Richtlinie in der Fassung der CSRD (Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung)[1]  berichtspflichtig sind. Ihre Grundlage findet die Green Asset Ratio in Art. 8 Taxonomie-VO.[2]  Demnach müssen Unternehmen Angaben darüber machen, „wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten“ im Sinne der Taxonomie-VO gelten. Als ökologisch nachhaltig bzw. „taxonomiekonform“ gelten nach Art. 3 Taxonomie-VO Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung zumindest eines der durch die Verordnung bestimmten Umweltziele (z.B. Klimaschutz) leisten und gleichzeitig nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung anderer Umweltziele führen („do no significant harm“-Prinzip). Außerdem müssen auch die technischen Bewertungskriterien und soziale Mindeststandards erfüllt werden.

Die konkrete Ausgestaltung der diesbezüglich zu berichtenden Angaben und Kennzahlen soll gemäß Art. 8 Abs. 4 Taxonomie-VO durch die Europäische Kommission (EK) im Wege eines delegierten Rechtsakts vorgenommen werden. Wichtige Wegweiser finden sich aber bereits in Erwägungsgrund 22 sowie in Art. 8 Taxonomie-VO: Bei der Definition von Kennzahlen soll zwischen Finanzunternehmen und Nicht-Finanzunternehmen unterschieden werden. Diese Unterscheidung wird getroffen, weil Unternehmen dieser beiden Kategorien mit ihren Geschäftstätigkeiten auf grundlegend unterschiedliche Weise Umweltauswirkungen entfalten. Während bei Nicht-Finanzunternehmen die Effekte der Produktions- oder Dienstleistungstätigkeit der Unternehmen selbst oder ihrer Zulieferer die größte Bedeutung haben (Scope-1- und Scope-2-Emissionen), geht es bei Finanzunternehmen im Wesentlichen darum, welche Geschäftstätigkeiten ihrer Kunden die Finanzunternehmen durch ihre Finanzierungsentscheidungen ermöglichen (Scope-3-Emissionen). Weil diese Ressourcenallokationsfunktion eine so gewichtige Rolle spielt, sollen nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten gerade jene Frage betreffen, in welchem Ausmaß Banken finanzielle Mittel an ökologisch nachhaltig agierende Unternehmen zur Verfügung stellen. Die GAR ist die in eine Zahl gegossene Antwort auf diese Frage.

Zur Genese der GAR

Zur Vorbereitung des gemäß Art. 8 Abs. 4 Taxonomie-VO vorgesehenen delegierten Rechtsakts, der unter anderem die zu veröffentlichenden Kennzahlen genauer definieren soll, hat sich die EK an die drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden gewandt. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) regte in Antwort darauf die Einführung folgender Kennzahlen für Finanzunternehmen an:

·         Green Asset Ratio

·         Angaben zu den Positionen des Handelsbuchs

·         Angaben zum Anteil taxonomiekonformer außerbilanzieller Posten (z.B. Garantien und offene Kreditzusagen)

·         Angaben zu Provisionserträgen, die nicht aus dem Kredit- oder Vermögensverwaltungsgeschäft entstammen

Die EK hat diese von der EBA empfohlenen Kennzahlen aufgenommen. Darunter ist die GAR die zentrale Kennzahl und wird wie folgt definiert: „Anteil der Vermögenswerte des Kreditinstituts […], durch den taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeiten finanziert werden und der in solche investiert wird, an den gesamten erfassten Vermögenswerten“. [3]  In die Berechnung der GAR fließen insbesondere folgende Bilanzpositionen ein:

·         Darlehen und Kredite

·         Schuldverschreibungen

·         Eigenkapitalinstrumente

·         wieder in Besitz genommene Sicherheiten

Kritikpunkte

Bei der Berechnung der GAR in den Zähler einfließen dürfen diese Vermögenswerte nur, wenn durch sie taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeiten finanziert werden. Daher sind die Banken dazu angehalten, ihre Know-Your-Customer-Maßnahmen über die bisher relevanten bonitäts- und geldwäscherisikorelevanten Aspekte hinaus auszuweiten. Nicht zuletzt da auch das Retailgeschäft (Immobilien-, Immobiliensanierungs- und Kfz-Kredite) in die Berechnung einfließt, stellt dies – je nach Geschäftsmodell – einen erheblichen Mehraufwand für die berichtspflichtigen Institute dar.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Aussagekraft der Kennzahl: Da Finanzierungen an Unternehmen, die nicht nach der CSRD berichtspflichtig sind, nur in deren Nenner einfließen, mangels Anwendbarkeit der Taxonomie-VO nicht aber in den Zähler, kommt es zu einer Verzerrung. Nicht nach der CSRD berichtspflichtig sind vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) und nicht in der Europäischen Union ansässige Unternehmen. KMUs werden daher im Ergebnis pauschal so behandelt, als wären sie ausnahmslos nicht taxonomiekonform. Bei Banken, die überproportional viele KMU-Kredite vergeben, wird es folglich zu einem materiellen „Unterausweis“ der GAR kommen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Vergleichbarkeit aus, sondern schafft potenziell auch Fehlanreize (z.B. dass Finanzierungen zum Zwecke der ökologischen Transformation von KMUs mit einem negativen Anreiz versehen werden). Um diese Problematik zu adressieren, hat die EBA im Wege eines Technischen Durchführungsstandards die Veröffentlichung einer modifizierten GAR vorgesehen. Diese ab 30. Juni 2024 offenzulegende Kennzahl wird als Banking-Book-Taxonomy-Alignment-Ratio (BTAR) bezeichnet und darf im Zähler auch Finanzierungen an taxonomiekonforme Unternehmen beinhalten, die nicht nach der CSRD berichtspflichtig sind.[4]

Diese und weitere Kritikpunkte werden dafür sorgen, dass die Dynamik des Nachhaltigkeitsrechts auch in diesem speziellen Bereich nicht nachlassen wird. Auch gilt es, die Limitationen, die eine einzelne Kennzahl wie die GAR immer mit sich bringen wird, zu bedenken. Dazu ein Vergleich mit einer wohl vertrauteren Kennziffer: Die Betrachtung der GAR eines Finanzunternehmens, ohne weitere Kennzahlen und qualitative Angaben in den Blickwinkel zu fassen, ist so sinnvoll und aussagekräftig wie die Betrachtung der Eigenkapitalrentabilität (Return-on-Equity) eines Unternehmens, ohne dessen Risiken und Zukunftsaussichten zu berücksichtigen.

 


[1] Richtlinie (EU) 2022/2464.

[2] Verordnung (EU) 2020/852 („Taxonomie-VO“).

[3] Anhang V der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 vom 6. Juli 2021, der die von Kreditinstituten offenzulegenden Kennzahlen regelt.

[4] Technischer Durchführungsstandard zu bankaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten (EBA/ITS/2022/01 vom 24. Jänner 2022), umgesetzt im Wege der
Durchführungsverordnung (EU) 2022/2453 der EK.


Hinweis: die hier verwendeten Bilder wurden mit Hilfe von KI erzeugt.