Unter Active Ownership versteht man die Strategie von Vermögensverwaltungsgesellschaften, als Investor aktiv gegenüber ihren Zielunternehmen für Maßnahmen in Richtung soziale Verantwortung, Umweltschutz, gute Unternehmensführung oder stärkere Transparenz (im Wesentlichen ESG-Kriterien) einzutreten. Grundsätzlich können dabei Prinzip 2 und 3 der 2006 gegründeten Investoreninitiative Principles for Responsible Investment (PRI) verfolgt werden.
In Vermögensverwaltungsgesellschaften, die Active Ownership zu ihren Investmentansätzen erklärt haben, wird zum einen der direkte formelle oder informelle Dialog mit dem Unternehmensmanagement gesucht (Engagement). Zum anderen wird durch Ausübung der Stimmrechte auf Hauptversammlungen (Voting) versucht, positive Veränderungen in ESG-Kriterien zu erwirken.
Durch den Dialog mit den Zielgesellschaften können Schwachstellen in ESG-Kriterien identifiziert und Verbesserungsvorschläge eingebracht werden. Das können direkte (zB Einzelgespräche als Lead Investor) und indirekte Kontakte (zB Unterstützung durch Supporting Investors), Unternehmensbesuche und Konferenzen sein. Beim gemeinschaftlichen Engagement schließen sich Vermögensverwaltungsgesellschaften zusammen, um gemeinsam im Dialog mit Unternehmen für nachhaltige Veränderungen einzutreten. Beispielsweise ist das Climate Action 100+ Projekt eine bedeutende weltweite Anlegerinitiative. Gestartet im Jahr 2017, besteht diese Initiative aus über 700 institutionellen Investoren, die zusammenarbeiten, um die größten Treibhausgasemittenten zu substanziellen Veränderungen zu bewegen.
Engagement führt zu einer umfassenden Informationsgrundlage (Abstimmungsverhalten kann informierter und vorhersehbarer erfolgen) und einer besseren finanziellen Bewertung des Unternehmens. Es kann sich auch indirekt auf die Vermögensallokation auswirken, indem sie dem Investor hilft zu erkennen, ob sich das Unternehmen auf dem richtigen oder falschen Weg befindet.
Beim Voting geht es um die Stimmrechtsausübung im besten Interesse des Fonds und im Einklang mit
Anlagezielen und Anlagepolitik des Fonds. Dabei bedienen sich viele Vermögensverwaltungsgesellschaften Proxy-Beratungsunternehmen (zB Institutional Shareholder Services – ISS; GlassLewis: Egan-Jones Proxy), die im Bereich der institutionellen Aktionärsberatung spezialisiert sind und Research, Analysen, Empfehlungen und Beratungsdienstleistungen anbieten, um so fundierte Stimmrechtsausübungen zu ermöglichen. Diese Proxy Advisors integrieren vermehrt ESG-Themen in ihre Analysen und Empfehlungen, um sicherzustellen, dass die Stimmrechtsausübung auch im Kontext nachhaltiger Investitionen erfolgt.
Rechtliche Grundlagen
Direkte rechtliche Grundlage von Active Ownership ist vor allem die treuhänderische Pflicht der Asset Manager gegenüber den Investoren. Der zugrundeliegende Treuhandvertrag beinhaltet idR eine umfassende Interessenwahrungspflicht des Anlegers.
Durch die 2. Aktionärsrechte-Richtlinie[1] wurde eine gesteigerte langfristige Beteiligung der Aktionäre normiert. In Österreich erfolgte die RL-Umsetzung in den §§ 177 ff BörseG und §§ 78a ff und 95a AktG. In § 185 Abs 1 Z 1 BörseG wird institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern die Verpflichtung auferlegt, eine Mitwirkungspolitik auszuarbeiten und öffentlich bekannt zu machen. Diese soll insbesondere eine Beschreibung der Mitwirkung der Aktionäre in der Anlagestrategie enthalten (lit a nimmt auf ESG-Kriterien Bezug). Damit ist Active Ownership und im Besonderen Engagement auch europarechtlich determiniert.
Zur Veranschaulichung kann die Voting Richtlinie der Erste Asset Management herangezogen werden. Danach wird etwa dann ein Stimmrecht ausgeübt, wenn die Erste AM Fonds mindestens 2 Mio. EUR an Eigenkapital oder mehr als 5% der im Umlauf befindlichen Aktien einer Gesellschaft halten. Die VotingRL hält beispielsweise fest, dass gegen die Wiederbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern oder Vorständen gestimmt wird, wenn wesentliche Versäumnisse bei der Steuerung/Minderung von ökologisch, sozialen und Governance-Risiken (ESG) vorliegen oder das Unternehmen nicht die erforderlichen Mindestmaßnahmen ergreift, um das Netto-Null Emissionsziel bis 2050 zu erreichen. Für das Jahr 2023 sind etwa als Mindestmaßnahmen eine detaillierte Offenlegung von Klimarisiken und eine Zielsetzung bis 2050 Scope-1-, Scope-2- und relevante Scope-3-Emissionen auf null zu reduzieren, erforderlich.
Ein herausragendes Beispiel für die praktische Wirksamkeit von Active Ownership bietet der US-amerikanische Hedgefonds Engine No. 1, der eindrücklich demonstriert, wie dieser Investmentansatz in Bezug auf ESG-Themen erfolgreich umgesetzt werden kann. Engine No. 1 erregte Aufmerksamkeit durch seine Kampagne zum verstärkten Klimaschutz bei ExxonMobil, obwohl der Fonds nur einen geringen Anteil an dem Mineralölkonzern hielt (etwa 0,02%). Engine No. 1 nominierte neue Verwaltungsratsmitglieder und überzeugte durch aktivistische Ansätze zwei Großinvestoren für die Abstimmung der nominierten Mitglieder. Durch die Investmentstrategie des Voting-Ansatzes konnten schließlich drei der von Engine No. 1 nominierten Mitglieder in den zwölfköpfigen Verwaltungsrat von Exxon einziehen, was zu einem Schritt in Richtung Klimaschutzes für den Mineralölkonzern führte.
Active Ownership wird in Zukunft im Bereich nachhaltiger Fonds weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Durch aktives Engagement können Vermögensverwaltungsgesellschaften Unternehmen verstärkt zu ESG-positiven Veränderungen motivieren. Die Bedeutung dieser Praxis wird durch die steigende Relevanz von ESG-Kriterien in der Anlagestrategie und durch regulatorische Vorgaben weiter zunehmen. Durch den fortgesetzten Einsatz von Stimmrechten und den Dialog mit Unternehmen werden Vermögensverwaltungsgesellschaften einen Beitrag zur Förderung von nachhaltigem Wirtschaften leisten und langfristige Anlageerfolge sicherstellen.